Splitterfasernackt

Nun weiß ich, warum die Autorin das Buch – ihre Autobiografie – so benannt hat. Sie hat Mut und Chaos vereint. Sie hat ihr Leben wie auf einen Teller all ihren Lesern serviert. Manche haben sie zerpflückt, andere verehrt und manche durften von diesem Wahnsinn kosten. Ich beneide sie ein bisschen und doch mag ich kaum mit ihr tauschen. Denn was sie erfahren hat, ist schrecklich – ohne Zweifel. Aber wie sie damit umgeht ist stark, auch wenn sie oft schwach geworden ist und an sich selbst und der Welt der Gewalt zerbrach. In meinem Kopf türmte sich bei ihrem zweiten Buch sogar der Gedanke auf, selbst eine Biografie zu schreiben. Ein Buch nur über mich und mein kaputtes Leben. Aber ständig drängt in meinen Schädel, dass den Salat niemand lesen will und gleichzeitig auch, dass ich nicht den Mut hätte, all diese widerlichen Geheimnisse offen auszubreiten. Die Schrecklichkeit einer Achtjährigen, die Dinge erlebt hat, die man nicht erleben sollte und das ganze Leben danach zerstörten. Und wie soll ich meine Eltern darin gut dastehen lassen? Wie die Menschen, die mir Nahe sind, nicht in Rauch aufgehen lassen? Vielleicht ein Buch mit sieben Siegeln, die erst noch geknackt werden müssen. Vielleicht ein Buch, nur in meinem Kopf, um damit umzugehen. Ich bin ja nicht einmal bereit, in der Therapie über die Dinge der Vergangenheit offen zu sprechen. Ich schaffe es nicht einmal, mit irgendwem über die dunklen Flecken zu reden. Wieso sollte ich darüber ein Buch schreiben, das jeder lesen kann? Lilly Lindner, ist ein verrücktes Vorbild und ich beneide sie, aber ich wünsche ihr auch Glück, dass sie das bestehen wird und stark genug ist, zu ertragen, wo Menschen grausam sein können.

Vielleicht kann ich ein Buch in Etappen schreiben, eines, dass mit den weniger dunklen Flecken beginnt, die dennoch schwarz genug sind um in den Abgrund zu reißen. Aber ich widere mich selbst an und zerpflücke die Worte, die Buchstaben und Punkte, bis man nichts mehr erkennen kann. Trotz allem, verschlinge ich jeden Satz und jede Zeile von Lilly Lindner, weil sie meinen so ähnlich sind und weil sie so pur und gerade heraus geschrieben sind und mit viel Herzblut.
Auch wenn viele an mich glauben, habe ich den Glauben an mich längst verloren. Ich weiß nicht mehr, was mich wirklich auf den Beinen hält oder am Leben. Die meiste Zeit sitze ich da und beriesle meinen Geist mit Serien und Büchern. Ich mag es in meiner feinen Blase der Abgeschiedenheit. Wenn ich niemanden sehen muss, geht es mir besser, als das Haus zu verlassen. Die Menschen machen mir Angst und strengen mich an. Ich mag es, mich auf meinen teuren und weichen Sessel einfach zusammen zu rollen und einzuschlafen. Für eine Weile vergesse ich dann. Bis ich aufwache und alles ist noch wie zuvor.

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